17. 02. 2025 - News

Veranstaltungsrückblick

Podiumsgespräch „80 Jahre Befreiung von Auschwitz – Wo stehen wir heute?“

Fotos: © Heiner Schlote

Am 26. Januar 2025 fand im Landesmuseum Hannover in Kooperation mit der Villa Seligmann ein Podiumsgespräch im Rahmen der Ausstellung „KZ Überlebt“ statt. Die Ausstellung des Regensburger Fotografen Stefan Hanke, die zwischen Oktober 2024 und Februar 2025 im Landesmuseum und in der Villa Seligmann zu sehen war, zeigte 74 bzw. 18 Schwarz-Weiß-Portraits von Überlebenden der Konzentrationslager.

Im Rahmen der Ausstellung und anlässlich des Gedenktages zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz sprachen Falko Mohrs (Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur), Philipp Peyman Engel (Chefredakteur der Wochenzeitung Jüdische Allgemeine), Prof. Dr. Katja Lembke (Direktorin des Landesmuseum Hannover) und Eliah Sakakushev-von Bismarck (Direktor der Villa Seligmann) über heutige Formen des Umgangs mit Antisemitismus, über (historische) Verantwortung und die Rolle von Kunst und Kultur in der Erinnerung an die Shoah. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von Nico Gutu (Akkordeon) und Martha Bijlsma (Cello),

„Wie wird das Unbegreifbare begreifbar? Der Holocaust in seiner ganzen Dimension und Grausamkeit übersteigt auch 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz unsere Vorstellungskraft. Die Ausstellung ‚KZ überlebt‘ gibt den Opfern der Nazi-Mordmaschinerie ein Gesicht und zeichnet individuelle Schicksale nach – und feiert zugleich das Leben. Diese unmittelbare Erinnerungskultur ist gerade in Zeiten von erstarkendem Nationalismus und Antisemitismus nötiger denn je.“ – Falko Mohrs (Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur) über die Ausstellung „KZ Überlebt“ und die Erinnerung an die Shoah

Philipp Peyman Engel verfasste kurz nach dem Überfall der Hamas auf Israel am 07. Oktober 2023 ein Buch mit dem Titel „Deutsche Lebenslügen: Der Antisemitismus, wieder und immer noch“ (dtv-Verlag). „Es ist ein sehr wütendes Buch,“ so Engel, „das den Finger in die Wunde legt, ohne übertreiben zu wollen.“ Zentral für ihn sei die klare Benennung von Judenhass, „egal, von welcher Seite er kommt.“ Antisemitismus müsse überall dort erkannt und benannt werden, wo er auftrete – sei es aus dem rechten, linken oder aus dem muslimischen Milieu.

Einig waren sich die Gesprächspartner:innen in Bezug auf die zentrale Rolle von Bildung sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Kontext. 12% der deutschen Schülerinnen und Schüler, so zitiert Eliah Sakakushev-von Bismarck aus einer Umfrage der Jewish Claims Conference, gaben auf Nachfrage an, noch nie etwas von den Begriffen „Holocaust“ oder „Shoah“ gehört zu haben. 18% der Deutschen seien außerdem der Auffassung, die Zahl der während der Shoah ermordeten Jüdinnen und Juden sei „übertrieben“. Dies zeige, dass in Schulen vielerorts ein großer Nachholbedarf in der geschichtlichen Bildung besteht. Prof. Katja Lembke betonte, wie wichtig es sei, Menschen bereits im jungen Alter auf einer emotionalen Ebene anzusprechen und zu berühren. Im Zeitalter der Digitalisierung sei es umso wichtiger, die Erinnerungen von Zeitzeug:innen zu konservieren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wie es beispielsweise in der virtuellen Begegnung mit Zeitzeugin Margot Friedländer im Landesmuseum Hannover im Rahmen der Ausstellung „KZ Überlebt“ möglich ist.

Auch die Kultur, betonte Eliah Sakakushev-von Bismarck, nehme eine zentrale Stellung in der heutigen Erinnerung an den Holocaust ein. „Kultur schafft Bilder und sinnliche Erfahrungen, um die Erinnerung an die Shoah wachzuhalten. Es ist wichtig, dass sich künstlerische Inszenierungen dieser Herausforderung annehmen.“ Besonders die Musik sei in der Lage, „diese besondere Dimension zu öffnen, in der Worte nicht mehr ausreichen“. Eine Pflicht für Künstler:innen und Kulturschaffende, sich mit der Shoah auseinanderzusetzen, bestehe nicht, so Philipp Peyman Engel. Wenn eine Auseinandersetzung und künstlerische Verarbeitung stattfinden, so müsse sie aber sehr gut und vor allem würdig sein.