In diesem Jahr jährt sich der Todestag Hannah Arendts zum 50. Mal. Am 4. Dezember 1975 verstarb sie in New York. Das Leben der am 14. Oktober 1906 in Hannover-Linden geborenen politischen Denkerin war von den gewaltsamen Brüchen des 20. Jahrhunderts geprägt. Als Jüdin erlebte sie die Verfolgung durch den Nationalsozialismus, als Geflüchtete die Staatenlosigkeit in Frankreich und den USA, wo sie schließlich 1951 eingebürgert wurde. Dort wurde sie zu einer weltweit berühmten Politiktheoretikerin, die sich mit großer Leidenschaft in aktuelle gesellschaftliche Debatten einmischte.
Während der 1920er-Jahre studierte Hannah Arendt Philosophie bei Martin Heidegger und weigerte sich später vehement, Philosophin genannt zu werden, weil die Erfahrung der freiwilligen Gleichschaltung ihres einstigen Lehrers und vieler deutscher Intellektueller mit dem Nationalsozialismus sie skeptisch gegenüber der akademischen Philosophie gemacht hatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte sie zu den schärfsten Kritiker*innen der Person Heideggers, gleichwohl hielt sie ihm privat die Treue. Das Ausmaß der antisemitischen Tendenzen in Heideggers Denken, das durch die Publikation der sog. Schwarzen Hefte deutlich wird, hat sie vermutlich zu Lebzeiten nicht erahnen können. Arendt setzte sich zeitlebens mit der Bedeutung politischen Handelns in Freiheit auseinander und warnte vor autoritären und totalitären Entwicklungen, die pluralistische Gesellschaften in Gefahr bringen.
Das Interesse an Hannah Arendts Werken und an ihrer Person ist ungebrochen groß. Arendt hat uns etwas zu sagen: sie befasste sich u. a. mit Freiheit, Macht und Gewalt, Denken, Handeln, Urteilen, Menschenrechten sowie der Bedrohung der Demokratie durch Antisemitismus und Rassismus. Das legendäre Interview mit Günter Gaus aus dem Jahr 1964 erreichte digital weit über eine Millionen Klicks. 2024 wählten Leser*innen einer hannoverschen Tageszeitung Arendt zur wichtigsten Person aus der Stadt in den vergangenen 75 Jahren.
In Hannover erinnert die Landeshauptstadt mit den seit 1998 jährlich stattfindenden HANNAH ARENDT TAGEN an die international bekannte Politiktheoretikerin. Sie gehen zurück auf eine gemeinsame Idee des damaligen Oberbürgermeisters Herbert Schmalstieg und Prof. Dr. Detlef Horsters (Leibniz Universität Hannover) und werden seither kontinuierlich weiterentwickelt. Unterschiedliche Formate wie Diskussionen, Vorträge, Ausstellungen, Theaterstücke, Performances, Filme und Lesungen beleuchten verschiedene Aspekte des jeweiligen Jahresthemas. Zahlreiche prominente Politiker*innen, Wissenschaftler*innen und Künstler*innen waren schon zu Gast.
Konzepterarbeitung und Koordination der HAT liegen im Fachbereich Büro Oberbürgermeister, Wissenschaftsstadt Hannover. Oberbürgermeister Belit Onay berät mit seinem Team und unterschiedlichen Akteur*innen aus der Stadtgesellschaft das aktuelle Programm. Schwerpunkte liegen auf der Zusammenarbeit mit Schulen und der Einbindung der Schüler*innen in das jeweilige Jahresthema des wissenschaftsbasierten Politikformates. Mit Kunstprojekten, Poetry-Slums, Debattenbeiträgen, Interviews und social media posts begleiten die Schüler*innen die Veranstaltung aus ihrer Perspektive. Die Reihe wird derzeit gefördert durch die VolkswagenStiftung und heise online.